Toraja: Mitten im Leben vom Tod umgeben

Du kannst dir nicht aussuchen wie du stirbst. Oder wann. Du kannst nur entscheiden wie du lebst. Jetzt.

Joan Baez

Unsere Reise durch Indonesien endete mit einem kulturellen Feuerwerk beim Volk der Toraja auf der Insel Sulawesi. Alles dreht sich hier um die Verehrung der Toten, so konnten wir an einem traditionellen Begräbnis teilnehmen, spezielle Grabstätten besuchen und in einem traditionellen Dorf mit auffälligen Tongkonan-Häusern übernachten. Der paradiesische Strand von Bira und eine Bootsfahrt durch das einzigartige Karstgebiet von Rammang-Rammang rundenten die Sulawesi-Tour ab.

Ein traditionelles Tongkonan-Haus des Toraja-Volkes.

Die Insel Sulawesi

Nach einem kurzen Flug landeten wir in Makassar, einer Hafenstadt im Süden von Sulawesi. Die bei uns doch eher unbekannte Insel Sulawesi ist mit einer Fläche von über 180’000 km² die elftgrösste Insel der Welt. Die meisten der knapp über 20 Mio. Einwohner leben im Süden der Insel, die aufgrund ihrer speziellen Form mit vier grossen Halbinseln und einem gebirgigen Innenland recht unwegsam ist. Rund 80% der Einwohner sind Muslime und Christen bilden mit 17% der Bevölkerung eine grosse Minderheit.

x

Die Stadt Makassar ist touristisch nicht wirklich interessant. Wir besuchten einzig das Fort Rotterdam, das den Niederländern als Zentrum für die Handelsaktivitäten mit Gewürzen diente. Sonst war unser Stadtrundgang nicht so angenehm, denn wir waren gefühlt die einzigen Fussgänger in der Stadt. Wir mussten dauernd auf der Hut sein, nicht von einem aggressiven Roller überfahren zu werden oder in eines der zahlreichen, tiefen Löcher im Gehsteig zu stürzen. Wir nutzten die Zeit für Wäsche, Friseur, Suche nach Sonnencrème (sehr schwierig zu bekommen und zu welchen Preisen) und genossen am Abend das überraschend gute kulinarische Angebot der Stadt.

Das Fort Rotterdam in Makassar.
Die in diesem Jahr fertiggestellte 99-Dome-Moschee in Makassar.
Eine ein bisschen in die Jahre gekommene Leuchtreklame.

Schneeweisser Traumstrand und Tauchen in Bira

Wir realisierten beim Planen unserer Route schnell, dass es unmöglich war, in zwei Wochen die ganze Insel zu bereisen. Wir wollten uns deshalb auf den südlichen Teil beschränken. Wir suchten ein Sammeltaxi für die Fahrt von Makassar nach Bira, hatten dann aber mangels anderer Touristen mit Herman einen privaten Fahrer. Für die knapp 200 Kilometer entlang der Südküste brauchten wir mit Mittagsstopp 7.5 Stunden. Zum Glück gibt es Podcasts…
Kurz vor Bira machten wir einen Stopp in Tanah Beru, wo am Strand Pinisi, traditionelle Holzschiffe der lokalen Volkgruppe Bugis, in allen Grössen in Handarbeit gezimmert werden. Die Bugis waren seit jeher als Seefahrer bekannt und ihre Schiffe sind bis heute sehr gefragt.

Ein sich im Bau befindendes Pinisi am Strand von Tanah Beru.

In Bira logierten wir in einem kleinen Bungalow gleich über dem schneeweissen Sandstrand. Ein kleines Stück Paradies, das auch für seine Schnorchel- und Tauchplätze bekannt ist. Gleich am nächsten Tag fuhren wir mit einem Boot vor die gegenüberliegende Insel und erkundeten mit Taucherbrille und Schnorchel ausgestattet das tolle Korallenriff.

Der Blick von unserer Veranda.
Schnorcheln in Bira.

Da erst wieder diesen Sommer internationale Touristen den Weg nach Bira fanden, war nur ein Tauchshop geöffnet. Wir meldeten uns für zwei Tauchgänge an, um die berühmte Unterwasser-Wand und den Shark Point zu sehen. Zusammen mit Michela und Stefano aus Italien, die im gleichen Hotel logierten, machten wir zwei tolle Tauchgänge. Die steil abfallende, schier endlos scheinende Wand voller Korallen und Fische war sehr beeindruckend. Beim Shark Point gab es eine recht starke Strömung, so dass wir uns zur Beobachtung der Haie an einem Felsen festhielten, was für uns eine neue Erfahrung war. Und wir wurden nicht enttäuscht, es schwammen immer wieder Haie vorbei!

Der schneeweisse Sandstrand bei Bira.
Per Zufall erblickten wir beim Tauchshop einen Bärenkuskus, der nur auf Sulawesi heimisch ist. Greifschwanz, Beutel und wuscheliges Fell…

Lange Fahrt nach Toraja

Für die Weiterfahrt in Richtung Norden buchten wir wieder Herman, da es keine öffentliche Verbindung gab. Am ersten Tag ging es durch traditionelle Bugis-Dörfer mit auf Pfählen gebauten Holzhäusern und entlang von endlosen Reisfeldern nach Sengkang am Tempe-See. Dort machten wir am nächsten Morgen eine Bootsfahrt zu den schwimmenden Häusern der lokalen Fischer.

Die morgendliche Bootsfahrt über den Tempe-See mit vielen aus dem seichten Wasser ragenden Palmen hat uns sehr gefallen.

Von Sengkang aus schlängelte sich die Strasse bald durch grüne Täler ins gebirgige Hochland, wo das Toraja-Volk lebt. Schon bald erblickten wir die ersten Häuser mit dem unverwechselbaren, geschwungenen Dach. Gegen Abend kamen wir endlich im Hauptort Rantepao an, wo wir ein Zimmer bei Sarah im Sulawesi Castle gebucht hatten. Sie hat uns herzlich empfangen und stolz mitgeteilt, dass sie für ihre Gäste jeden Tag frisches Brot bäckt. So freuten wir uns schon auf das Frühstück.

Die Schlossgäste wurden von Sarah (hinten links) mit frischgebackenem Brot und selbst gekochter Konfitüre verwöhnt.

Begräbnisrituale

Die Kultur der Toraja ist extrem reich an Ritualen und Traditionen, geprägt von Kastendenken und bekannt für die unverkennbare Architektur. Wir hatten in den vier Tagen im Tana Toraja (Land der Toraja) einen tollen, ersten Einblick in die vielfältige Kultur und möchten hier die interessantesten Erlebnisse mit euch teilen.

Traditionelle Gebäude, hier ein Reisspeicher, prägen das Strassenbild.

Als ersten Höhepunkt nahmen wir zusammen mit unserem Guide Astro an einem Begräbnis teil. Dies hört sich jetzt sicher sehr speziell an, ist für Touristen in Toraja aber durchaus üblich. Die Begräbniszeremonie, die heute immer noch mindestens drei Tage dauert, ist nämlich das mit Abstand wichtigste Ritual der Toraja, zu welchem auch Touristen willkommen sind, um der verstorbenen Person die letzte Ehre zu erweisen. Bis zum Begräbnis wird der Leichnam im Tongkonan aufgebahrt. Ein Tongkonan ist das traditionelle, auf Pfeilern stehende Haus mit einem überdimensioniert scheinenden Dach, das auf beiden Seiten steil in den Himmel ragt.

Das mit Schnitzereien dekorierte Haus dient dem ganzen Familenclan als Sitz. Je nach Reichtum und entsprechendem Status des Clans müssen zur Beerdigung eine unterschiedliche Anzahl an Wasserbüffeln und Schweinen geopfert werden. Gemäss dem Glauben der Toraja benötigt die verstorbene Person die Büffel für den langen Weg in den Himmel. Je mehr sie davon hat, desto schneller kann der Weg bewältigt werden. Die Wasserbüffel, speziell die Weissen mit dunklen Flecken, sind jedoch extrem teuer (bis zu 80’000 Franken), so dass es manchmal mehrere Jahre dauern kann, bis die Familie das Geld für die Feierlichkeiten gespart hat. Viele müssen sich dafür auch verschulden. Damit der Leichnam so lange zu Hause aufgebahrt werden kann, wird heute Formalin gespritzt, früher wurde er einbalsamiert.

Der vor dem Tongkonan ausgestellte Sarg der Verstorbenen.

Für die Beerdigungszeremonie wurden für die vielen Gäste spezielle Bambushäuschen zwischen die frei stehenden Reisspeicher gezimmert. Wir wurden vom Sohn der Verstorbenen begrüsst und durften in einem Bambushäuschen Platz nehmen, wo uns gleich Kaffee, Tee, verschiedene Kekse und Zigaretten serviert wurden. Ja, in Indonesien wird sehr viel, sehr stark und überall geraucht.

Ununterbrochen fuhren nun die mit Gästen und ihren Geschenken beladenen Pickups vor. Die Gäste brachten Schweine, Zucker, Palmwein und vieles mehr mit. Über einen Lautsprecher wurden alle willkommen geheissen und zogen dann in Zweierkolonne auf dem Gelände ein. Eine Familie definiert sich sehr weit, so kommen auch entferntere Verwandte zum Begräbnis und bringen manchmal gleich noch Freunde und Nachbarn aus dem Dorf mit. Weiter gab es auch Gruppen, die einen Tanz aufführten und dabei ein trauriges Lied sangen.

Traditionell angezogene Toraja-Frauen beim feierlichen Einzug.
Gesang und Tanz an der Begräbniszeremonie.

Ein sehr wichtiger Teil des Begräbnisses ist das Opfern der Büffel und Schweine. Die von den Gästen mitgebrachten Schweine lagen an den Beinen zusammengebunden am Boden, was für uns ein sehr trauriger Anblick war. Wir sahen dann auch, wie die Tiere an Ort und Stelle geschlachtet wurden. Die Details ersparen wir euch. Wir waren dann auch froh, dass an diesem Tag keine Büffel geopfert wurden. Ein Teil des Fleisches wird gegrillt und den Gästen zum Mittagessen vorgesetzt, der andere Teil wird den Gästen mit nach Hause gegeben.

Einer der teuren Büffel, der geopfert werden wird.
Die von den Gästen mitgebrachten Schweine wurden gleich vor Ort geschlachtet.

Wir wurden vom Sohn dann auch zum Mittagessen eingeladen, was eine grosse Ehre war. Die Tempestücke mit kleinen, salzigen Fischen waren gut mit Chili gewürzt, was Tom einige Schweissperlen auf die Stirne zauberte. Die anderen Gäste fanden es amüsant, dass der Touri nicht mal ein paar Chilis aushält.

Nach dem Mittagessen verabschiedeten wir uns und Astro zeigte uns noch zwei schöne, traditionelle Dörfer. Leider setzte dann der Regen ein und wir wurden auf unserem Scooter noch so richtig nass. Immerhin konnten wir nun doch noch unsere seit langem umsonst mitgeführte Regenausrüstung benutzen.

Singing in the rain…
Die Jungs spielten im Regen Fussball und immerhin einer genoss, fotografiert zu werden.

Gräber, Schädel und Tau Tau

Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Roller an zwei Orte, wo wir die Gräber der Toraja sehen konnten. Je nach sozialem Stand der verstorbenen Person wird der Sarg anders begraben. Begraben ist eigentlich das falsche Wort, denn die Särge werden entweder in kleinen Häuschen mit typischen Dächern, in Sandsteinhöhlen oder direkt in Felswänden beigesetzt. Die Gräber werden von Tau Tau, geschnitzten Figuren, die der verstorbenen Person nachempfunden sind, bewacht und schützen dabei auch die Lebendigen. Die in den Felswänden hängenden Särge waren teilweise sehr marode und die Gebeine waren sichtbar oder bereits heruntergefallen. So gab es auch mehrere Särge, auf welchen eine unzählige Schädel aufgereiht waren. Mit einem lokalen Guide besuchten wir dann auch noch eine Grabhöhle in Londa. Ein sehr spezielles Erlebnis, da die Särge und Gebeine im Schein einer Petroleumlampe doch noch eine andere Dimension erhielten.

Gräber mit traditionellen Dächern oder direkt in den Fels gehauen.
Tau Tau auf bewachen von den Balkonen aus die Gräber.
In der Felswand beigesetzte Särge, die sehr marode sind.
Särge mit darauf aufgereihten Schädeln.
Ein für uns sehr ungewohnter Anblick.

Die Religion

Das Toraja Volk war im unwegsamen Hochland lange Zeit ziemlich stark von der Aussenwelt abgeschieden. Der heute „Aluk“ genannte, ursprüngliche Glauben der Toraja hat den Alltag dominiert, nicht nur die religiösen Rituale sondern auch die Landwirtschaft und das soziale Leben. Erst im 20. Jahrhundert versuchten die Niederländer mit gezieltem Missionieren das Christentum zu verbreiten, was jedoch nicht richtig gelang. Erst in den 1950er Jahren konvertierten viele Toraja zum Christentum, als Separatisten für einen islamischen Staat in Sulawesi kämpften. Eine Konversion zum Islam war für die Toraja eigentlich fast ausgeschlossen, so diametral unterschiedlich waren die Rituale. So müssen Tote nach muslimischem Glauben innert einem Tag begraben werden und der Genuss von Schweinefleisch ist verboten. Heute sind die meisten Leute in Toraja Christen, die traditionellen Rituale, speziell das Begräbnis nach den Regeln des „Aluk“, werden bis heute gepflegt.

Wanderung hoch über dem Tal

Nach den vielen, neuen Eindrücken machten wir auch noch eine wunderschöne Wanderung durch Bambuswälder, entlang von Reisfeldern und immer wieder durch kleine Dörfer mit unzähligen Tongkonans, deren Dächer in den Himmel ragten. Einfach eine unglaublich faszinierende Region. Während wir die ersten drei Tage im Hauptort Rantepao im sympathischen B&B von Sarah logierten, verbrachten wir den letzten Tag noch bei einer Familie in einem traditionellen Dorf mit Tongkonans und Reisspeicher. Hier lebten noch drei Generationen unter einem Dach: Die Grossmutter, deren Geburtsdatum nur geschätzt werden kann, die Mutter und die Tochter, welche nun seit ein paar Jahren einen authentischen Homestay anbietet. Wir haben die Zeit dort sehr genossen und den Austausch mit der Familie sehr geschätzt.

Blick über die Reisfelder ins Tal.
Hier verbrachten wir den letzten Tag in Toraja.
Wirklich eine einmalige Architektur, oder?
Wie schon auf Flores gab es auch auf Sulawesi riesige Bambusse, was hier im Vergleich zum Haus gut zur Geltung kommt.

Abkürzung

Wir wussten, dass die Insel Sulawesi sehr gross war, aber die Reisezeiten zwischen den Orten haben wir dennoch unterschätzt. So entschieden wir uns, unsere Route noch einmal zu kürzen und dafür länger in Toraja zu bleiben. Statt weiter in die etwa zwanzig Stunden entfernte Hafenstadt Palu ging es wieder zurück nach Makassar. Auf dem Weg dorthin wollten wir dann noch das Karstgebiet bei Rammang-Rammang besuchen, das wir beim Landeanflug auf Makassar aus der Vogelperspektive gesehen hatten. Nach einer Übernachtung in Parepare schlossen wir unser Indonesienabenteuer mit einer wunderschönen Bootsfahrt durch das Karstgebiet ab.

Zwischenstopp im Karstgebiet von Rammang-Rammang.
Bootsfahrt durch das Karstgebiet von Rammang-Rammang.
Von Palmen gesäumte Flussläufe…
… und viele leuchtend rote Libellen.

Leben für den Tod?

Das Begräbnisritual der Toraja hat uns recht nachdenklich gemacht. Einerseits finden wir es toll, dass die Traditionen bis heute gepflegt werden und es immer noch einen unglaublichen Zusammenhalt innerhalb des Familienclans gibt. Andererseits gibt es dadurch viele soziale Zwänge und viele Familien stecken aufgrund der Opfergabe der manchmal über 20 Büffel in der Schuldenfalle. Familienmitglieder, die ihr schwerverdientes Geld zum Beispiel lieber in die Ausbildung ihrer Kinder als in Büffel investieren möchten, müssen damit rechnen, dass ihr Clan mit ihnen bricht, was sehr traurig ist. Natürlich wollen wir uns nicht anmassen, diese wichtigen Rituale ganzheitlich in Frage zu stellen. Aber gäbe es nicht eine Möglichkeit, auf die Opferung der extrem teuren Büffel zu verzichten, so dass die Familien das Geld für andere Zwecke verwenden könnten oder sich nicht in Schulden stürzen müssten?

Unsere Reise durch den Süden von Sulawesi war auf jeden Fall sehr bereichernd. Wir haben uns mit vielen Einheimischen austauschen können, hatten die Ehre, an einem Begräbnis teilzunehmen und wanderten durch die wunderschöne Landschaft.

Mit traditionellen Schnitzereien und einem Büffelkopf verziertes Tongkonan.

Kurzes Fazit zu Indonesien

Wir sind extrem dankbar, dass wir knapp zwei Monate Zeit hatten, um Indonesien zu bereisen. Trotzdem haben wir nur einen Bruchteil des riesigen und sehr vielfältigen Inselstaates sehen können. Uns hat es in Indonesien unglaublich gut gefallen. Durchwegs sehr gastfreundliche Leute, ein kulturelles Feuerwerk in jedem Winkel, viele kulinarische Höhepunkte, eine grandiose Unterwasserwelt und eine von Vulkanen geprägte, grüne Landschaft. Die Schattenseiten sind hier aber leider ebenso zu erwähnen. Der sorglose Umgang mit der Natur, speziell das immense Abfallproblem auf dem Land und noch viel mehr im Wasser, ist unglaublich tragisch. Auch die immer noch grossflächige Abholzung der Wälder und die starke Luftverschmutzung in den Zentren sind besorgniserregend. Die Bevölkerung Indonesiens wächst sehr stark. Die Infrastruktur, das Gesundheits- und Bildungssystem hinken dabei hinterher, was zu grossen sozialen Problemen führt, die für uns Touristen nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind.

Kommentar abgeben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 Kommentar