Medellín – Geschichte und Transformation einer Stadt

Manchmal zeigt sich der Weg erst, wenn man anfängt ihn zu gehen.

Paul Coelho

Medellín, die zweitgrösste Stadt Kolumbiens, hat uns von Beginn weg in ihren Bann gezogen. Wunderschöne, moderne Viertel mit hippen Restaurants, Cafés und Bars stehen im Kontrast zu riesigen, armen Siedlungen, die auf allen Seiten der Stadt die Berghänge hinauf gebaut sind. Auch die Geschichte der letzten 40 Jahre mit Drogenkartellen, Guerillakriegern und einer unglaublichen Transformation in den letzten 15 Jahren haben uns schwer beeindruckt.

Die Anreise

Bevor wir in der Stadt ankamen, mussten wir noch die Strecke vom Kaffeedreieck mit dem Bus überwinden. Für die Fahrt über 214 km sind normal schon über 5 Stunden veranschlagt. Wir hatten aber auf der Strasse zahlreiche einspurige Abschnitte wegen Baustellen und Steinschlag, wo wir jeweils 15-30 Minuten warten mussten, sodass wir erst nach über 8 Stunden bei Dunkelheit ankamen. Hier sind wir noch immer in der Nähe des Äquators, deshalb sind Sonnenaufgang um 6:15 Uhr und Sonnenuntergang um 18:15 Uhr immer noch ungefähr zur selben Zeit wie seit Reisebeginn in Panama.

Die Strasse führte, für uns ganz ungewohnt, auch direkt auf Bergkämmen und nicht im Tal, sodass es auf beiden Seiten bergab ging. Zum grössten Teil war die Strasse wie ein einfache Dorfstrasse ausgebaut, aber halt als eine der Hauptverkehrsachsen mit unzähligen Fahrzeugen inkl. riesiger LKWs.

Über Medellín

Aber zu Medellín: Auf über 1500 m gelegen mit 2,5 Millionen Einwohnern hat die Stadt auch den Spitznamen „Stadt des ewigen Frühlings“, da es immer so zwischen 20-25 Grad hat – ein weiterer Grund die Stadt zu mögen.

Der wilde Bach mitten in der Grossstadt

Die Stadt hat auch einen gut ausgebauten öffentlichen Verkehr. Neben einer der wenigen Metros in Südamerika, gibt es auch mehrere Gondelbahnen als öffentliches Verkehrsmittel, welche die Viertel entlang der Berghänge erschliessen.

Blick über die Stadt von einer Gondelbahn aus,
Auf alle Seiten zieht sich die Stadt die Berge hoch.

Das ursprünglich Medellín liegt in der Ebene in Süd/Nordausrichtung mit Bergen auf beiden Seiten. Auf den Berghängen bildeten sich aber in allen Richtungen illegale bzw. ungeplante Siedlungen, weg vom Zentrum und dementsprechend ohne Infrastruktur und staatliche Kontrolle. Diese Siedlungen bestehen aus kleinen Häusern, die durcheinander und fast auseinander die Hänge hochgezogen wurden, ohne richtige Strassen dazwischen. Wie auf dem Foto und im Video zu sehen, ist der Grossteil der Häuser im Backstein-Stil, in den armen Gegenden heisst das aber einfach kein Verputz.

Die wild zusammengewürfelten Häuser eines Armenviertels.

Heute sind diese Viertel zwar halbwegs erschlossen mit Wasser und Strom und teilweisem Zugang zu öffentlichen Verkehr mit den Seilbahnen. Sie bilden aber immer noch die grössten Armensiedlungen in Südamerika nach jenen in Rio de Janeiro. Die reichen Viertel sind auch immer noch jene in der Ebene.

Jüngere Geschichte Medellíns und Kolumbiens

Sehr viel über die Geschichte Medellíns wie auch Kolumbiens erfuhren wir auch bei einer der interessantesten Free Walking Touren, die wir je hatten. Die Tour führte durch das Zentrum der Stadt.

Die Kirche am „Hauptplatz“
Selfie in einer Kunstinstallation im Centro

Kolumbien hatte über Jahrzehnte an mehreren Fronten zu kämpfen, die alle auch in Medellín sichtbar und miteinander verwoben sind: Bürgerkrieg, verschiedene Guerillagruppen, Drogenkartelle und dadurch ausgelöste Armut, Verlust staatlicher Kontrolle, Korruption und eine extreme Verstädterung.

Im Bürgerkrieg, der als längster bewaffneter Konflikt der Welt galt, waren mehrere Guerillagruppen und der Staat beteiligt. Die bekannteste Guerillagruppe ist die kommunistische FARC, daneben andere linke Gruppe sowie rechte Paramilitärs. Die verschiedenen Drogenkartelle arbeiteten auch mit den Guerillagruppen und Paramilitärs zusammen, zum Beispiel zur Bewachung der Anbauflächen und auch bei der Produktion und Distribution, und befeuerten den Bürgerkrieg damit zusätzlich.

Beim Stichwort Drogen und Medellín gehört natürlich Pablo Escobar genannt. Er konsolierte die Drogenclans in den 80er-Jahren und kontrollierte und terrorisierte die Stadt und das Land bis zu seinem Tod 1993 auf brutalste Weise.

Anfang der 2000er-Jahre zählte Medellín noch zu den gefährlichsten Städten der Welt. Unser Guide erzählte, dass sowohl er als auch sein Bruder beim Fussballspiel in Schiessereinen gerieten und beide getroffen wurden. Zwar nicht tödlich für sie, aber von den 10 Freunden, die gemeinsam spielten, waren sechs tot. Ein Trauma, dass die ganze Bevölkerung Kolumbiens bis heute verfolgt.

Die Comuna 13

Besonders ein Ort, der Stadtteil „Comuna 13“ galt als schlimmstes Pflaster der Stadt. In diesen Ort verschlug uns dann die zweite Tour, da er heute, nur 15 Jahre später, eine Touristenattraktion ist.

Einheimische Kinder unter lauter Touristen
Mitten in der Comuna 13

Der Ort ist voller riesiger Graffiti, die auf eindrückliche Weise, die Geschichte und die Probleme auf teils abstrakte Weise thematisieren.

Das Graffiti oben beschreibt einen einschneidenden Tag: Am 16. Oktober 2002 stürmte und bombardierte das kolumbianische Militär (und angeblich auch Paramilitärs) mit der Operation „Orion“ die Comuna 13 um Guerillas festzunehmen und die staatliche Kontrolle wiederherzustellen. Dabei wurden auch viele unschuldige Menschen getötet, beim Angriff selbst und nachher durch Verschleppung und gezielte Tötung. Dieses sogenannten „falsos positivos“ also falsche Positive wurden dann als Guerilla verkleidet, um die Taten zu legitimieren und Erfolge bei der Bekämpfung der Guerilla vorweisen zu können.

Heute sind über 6’000 Fälle von Falsos Positivos offiziell anerkannt, wobei die Dunkelziffer wahrscheinlich deutlich höher liegt. Das Ereignis hat sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt, war aber auch der Beginn der Transformation.

Ein neues Gesicht

Neue Bauten und aufgeräumte Strassen

Medellín investierte in den letzten 15 Jahren sehr viel Geld und Arbeit in die öffentliche Sicherheit, in Sozialarbeit, in die Aufwertung öffentlicher Plätze, in den Ausbau von Infrastruktur und Bildung und den Anschluss aller Stadtteile ans öffentliche Verkehrsnetz, sodass die Stadt heute als Vorbild für nachhaltige Transformation und Verbesserung gilt.

Seinen Teil trug auch der aus Medellín stammende, weltbekannte Künstler Fernando Botero bei. Er vermachte ab dem Jahr 2000 viele seiner berühmten Gemälde und Skulpturen der Stadt und engagierte sich auf seine Weise für die Transformation. Ein ganzer Platz und ein grosser Teil des Regionalmuseums sind heute ihm und seinen einzigartigen Werken gewidmet.

Mehrere Skulpturen auf dem Plaza Botero
Seine Skulpturen sind nicht wie oft behauptet dick, sondern unproportional.

Eine tragische Geschichte haben auch die beiden Vogelskulpturen oben. Auf dem Platz, wo die jetzt zerstörte, linke Skulptur stand, fand 1995 ein grosses Konzert statt, als unter dem Vogel eine Bombe hochging und 30 Menschen tötete und 200 verwundete. Als daraufhin der Bürgermeister die Skulptur entfernen wollte, intervenierte Botero persönlich und veranlasste, dass die Skulptur als Mahnmal bestehen bleibt und spendete eine zweite Neue.

Am Geniessen

Nach den ganzen Geschichten zurück zu den hippen Restaurants, Cafés und Bars: Im Viertel El Poblado lag unser Hotel und dort fanden wir auch alles, was unser Herz begehrte.

Moderne Bars
In unserem Hotel lernten wir auch zwei Schweizer, Linda und Lars, kennen, mit denen wir neben einer Stadttour auch einen Cocktail-reichen Abend verbrachten.
Endlich gab es auch wieder wirklich gute Süssspeisen. Die Schokomoussetorte mit Brombeeren war so gut, dass sie gleich an zwei Tagen verzehrt wurde.
Bester kolumbianischer Kaffee mit Chemex-Zubereitung
Auch die Aussicht von unserem Hotelpool lässt sich sehen und mit einem Gin Tonic noch besser geniessen.

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Wie man sieht, hat uns die Stadt mit ihrer Geschichte, aber auch mit der positiven Entwichklung wirklich fasziniert und wir haben unsere Zeit dort sehr genossen.

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