Euer tägliches Leben ist euer Tempel und eure Religion.
Khalil Gibran
Auf nach Kambodscha: Wir erkundeten die riesige und beeindruckende Tempelwelt von Angkor mitten im Dschungel, mit den Höhenpunkten Angkor Wat und Bayon. Zu Beginn erfuhren wir aber in der Hauptstadt Phnom Penh mehr über die schrecklich Geschichte des Landes unter den Roten Khmer in den 1970er-Jahren.
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Start in Phnom Penh
Wir starteten unsere Reise in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh. Mit 2.3 Millionen Einwohnern die erste richtige Grossstadt seit langem für uns. Wir konnten wieder einfach durch die Strassen spazieren und einiges entdecken. Zu sehen gab es Tempel, den Königspalast (unverständlicherweise trotz keinerlei sonstiger Einschränkung im öffentlichen Leben wegen Covid geschlossen), eine lange Uferpromenade entlang des Mekong und französische Kolonialarchitektur. Daneben ist das „neue“ Phnom Penh am boomen. Überall wachsen Wolkenkratzer in den Himmel, es gibt viele moderne Restaurants, Cafés und Bars und anscheinend auch eine langsam wachsende Mittelschicht.
Grauenvolle Geschichte Kambodschas
Dass die Entwicklung Kambodschas anderen südostasiatischen Ländern hinterher hinkt und dass das Land neben Myanmar das ärmste der Region ist, liegt vor allem an der Schreckensherrschaft der Roten Khmer zwischen 1975 und 1979. Bis 1953 eine französische Kolonie, wurde Kambodscha in den Folgejahren im Kalten Krieg und im Vietnamkrieg zerrieben. Eigentlich wollte das Land neutral bleiben, wurde aber trotzdem in den Konflikt hineingezogen. Das kommunistische Nordvietnam stationierte Truppen im Land, was bis Mitte der 70er-Jahre zu immer stärkeren Bombardements durch die USA führte. Diese Bombardements verschafften den Roten Khmer immer stärkeren Zulauf und auch Kriegswaisen wurden von ihnen zu Kindersoldaten ausgebildet (Khmer ist die Bezeichnung der kambodschanischen, einheimischen Bevölkerung und ihrer Sprache).
1975 wurde die Hauptstadt Phnom Penh von den Roten Khmer eingenommen , die vom Westen unterstützte Regierung gestürzt und die totale Versklavung der gesamten Bevölkerung begann. Die Städte wurden komplett entvölkert, alle Bewohner sollten am Land leben und Reis produzieren. Alles wurde kollektiviert, Familien getrennt, Zwangsheiraten, Einheitskleidung und -haarschnitte eingeführt, Emotionen wie weinen oder lachen verboten, Nahrungsaufnahme ausserhalb von Gemeinschaftsküchen untersagt. Als einzige Bestrafung gab nur noch die Todesstrafe, die anfangs gegen alle Intellektuellen (wozu auch einfach Brillenträger gehörten) oder Ausländer (inklusive der vietnamesischen und chinesischen Minderheit) angewendet wurde. Schnell wurde sie aber auch gegen alle, die irgendwie auffielen, inklusive eigener Parteileute, exzessiv eingesetzt.
Die Leute arbeiteten teils 7 Tage die Woche bis zu 16 Stunden, um Reis anzubauen. Der Reis war aber grossteils für den Verkauf ins Ausland bestimmt und ein immer grösserer Anteil, der eigentlich für die kambodschanische Bevölkerung bestimmt war, wurde abgezweigt, damit die Produktionsquoten für den Export erfüllt wurden. So entwickelte sich eine unvorstellbare Hungersnot, obwohl heute angenommen wird, dass eigentlich genug Reis für alle da gewesen wäre. Mit den Tötungen und dem Hunger zusammen kamen in nur knapp 3.5 Jahren zwischen 1 bis 2 Millionen Menschen ums Leben, auf eine Gesamtbevölkerung von nur 8 Millionen.
Die Roten Khmer wurden 1979 von der vietnamesischen Armee als Reaktion auf einen Angriff innert kurzer Zeit besiegt und Kambodscha wurde besetzt. Aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen wurden die Roten Khmer und ihr Anführer Pol Pot noch über 10 Jahre lang von den USA, China und Thailand als legitime Vertretung Kambodschas finanziell und militärisch unterstützt. Dies nur wegen der Gegnerschaft zu Vietnam (und dessen Verbündeten Sowjetunion), obwohl bald nach Fall des Regimes der Roten Khmer die monströsen Menschrechtsverletzungen international bekannt wurden.
Wir besuchten in Phnom Penh das Foltergefängnis Tuol Sleng, das bis zur Machtübernahme der Roten Khmer eine Schule war und wo alleine über 20’000 Menschen auf grausamste Weise gefoltert wurden und ihr Leben verloren. Sie mussten sich zu irgendwelchen Spionage- und Verschwörungstaten bekennen von Auftraggeber wie CIA oder KGB, von denen sie noch nie gehört hatten. Hier verbrachten wir ein bedrückenden Vormittag mit einer hervorragend gemachten Audiotour, die schlimm unter die Haut ging. Dass diese unbeschreiblichen Verbrechen bei uns so unbekannt sind und wir darüber auch nur wenig wussten, ist eigentlich beschämend.
Die frühzeitliche Metropole Angkor
Danach blätterten wir das Geschichtsbuch ein paar Hundert Seiten zurück: zur Blütezeit des Khmer-Reiches zwischen dem 9. und 14. Jahrhundert und ihrem immenses architektonisches Schaffen. Die Khmer hinterliessen rund um Angkor 72 grössere und zahlreiche kleinere Tempelanlagen, darunter mit Angkor Wat den grössten religiösen Komplex der Welt. Fälschlicherweise wird immer noch behauptet, dass die Tempel im 19. Jahrhundert von den Franzosen im Dschungel „wiederentdeckt“ wurden. Hingegen wurden einige Tempel wie Angkor Wat immer noch genutzt und andere einfach aufgegeben, da viel weniger Menschen hier wohnten. Die Tempel wurden aber nicht vergessen.
Heute ist das Zentrum der Region im Norden Kambodschas, die Stadt Siem Reap, nur ein paar Kilometer von den Tempeln von Angkor entfernt. Mit 250’000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt des Landes, ist die Wirtschaft komplett auf den Tourismus rund um die Tempelanlagen ausgelegt. Über zwei Millionen Besucher zählte die Stadt vor Corona jährlich. Für uns war es einer der touristischsten Orte auf der ganzen Reise, aber wir hatten grosses Glück, dass der Tourismus bei weitem noch nicht voll angelaufen ist.
Wir planten mit fünf vollen Tagen genug Zeit ein, um die Tempel und die Umgebung in Ruhe zu erkunden. Grossteils waren wir wieder mit dem Roller unterwegs und konnten die weitläufige Anlage in unserem Tempo und teils entgegen den Touristenströmen entdecken. Die Hotels waren auch sehr günstig, so konnten wir uns nochmals etwas gönnen.
Zur Blütezeit lebten in der knapp 1’000 km² grossen Region fast eine Million Menschen, was Angkor damals zur klar grössten Stadt der Welt machte. Es existierte bereits ein Bewässerungssystem und weitere Infrastruktur. Jedoch waren alle nicht-religiösen Gebäude aus Holz (auch der Königspalast), so dass es heute davon keine Spuren mehr gibt. Das Khmer-Königreich kontrollierte zeitweise einen Grossteil der indochinesischen Halbinsel mit grossen Gebieten in den heutigen Staaten Thailand, Vietnam, Laos und Myanmar.
Vom Hinduismus zum Buddhismus und immer grösser
Lange Zeit waren die Herrscher und die Bevölkerung hinduistisch und der Grossteil der frühen Tempel ist dem Gott Shiva gewidmet. Die hinduistischen Tempel zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus mehreren Ebenen bestehen und in der Mitte mit den Türmen stark in die Höhe streben. Diese Form repräsentiert den Berg Meru, den Sitz der Hindugötter. Die meisten Tempel haben auch fünf Türme auf der höchsten Ebene, vier in allen Himmelsrichtungen und einen Hauptturm in der Mitte.
Verzierungen und Statuen gehören hier zur Grundausstattung. Schlangen, Elefanten, Götter, geschichtliche und mythologische Ereignisse und vieles mehr wird festgehalten, fast alle Wände der schier endlos scheinenden Gänge sind geschmückt. Die in den Stein gravierten Flachreliefs wurden alle hinzugefügt, nachdem die Gebäude gebaut waren, daher waren keine Fehler erlaubt.
Später wechselten die Könige zum Buddhismus und die Tempel wurden eher in die Breite als in die Höhe gebaut. Auch die bestehenden hinduistischen Tempel wurden einfach mit Buddha-Statuen gefüllt und umgewidmet.
Die Tempel wurden auch immer grösser, da jeder König seine Vorgänger übertreffen wollte. So sind auch die beiden imposantesten Tempel, Angkor Wat und danach Bayon, im 12./13. Jahrhundert gegen Ende der Blütezeit entstanden.
Vom Dschungel verschluckt
Besonders gefallen hat uns der Tempel Ta Prohm. Er wurde über die Jahrhunderte vom Dschungel verschlungen, ist teils verfallen und von Bäumen und Moos überwachsen. Das ergibt ein ganz eigenes Bild und eine fast mystische Stimmung. Vor allen die riesigen Bäume beeindrucken, die in, auf, und über die alten Gemäuer gewachsen sind.
Angkor Wat
Der Höhepunkt stand für uns erst am vierten Tag auf dem Programm, da wir zuerst die weniger bekannten Tempel sehen wollten, um nach Angkor Wat nicht enttäuscht zu sein. Wir machten uns schon um 4.45 Uhr am Morgen auf den Weg, damit wir den Sonnenaufgang sehen konnten. Es war glücklicherweise kein Problem einen Platz beim besten Fotospot am Teich zu bekommen, wo wir die Spiegelung beobachten konnten. Auf Bildern vor Corona sind vor dem Tempel nämlich riesige Menschenmassen beim Sonnenaufgang zu sehen. Und wir hatten richtig Glück, denn es gab im Gegensatz zu den Vortagen einen tollen Sonnenaufgang. Richtig besuchten wir den Tempel aber dann erst gegen Mittag mit einem Guide.
Die Anlage ist 1.6 km² gross, der äussere Wassergraben misst stolze 1.5 x 1.3 km. Nach dem prachtvollen Eingang öffnet sich für den Besucher das ikonische Bild mit den fünf riesigen Türmen des Tempel (auf vielen Bildern sind nur drei sichtbar, da in der Frontalansicht die hinteren verdeckt werden). Die Aussenwände des Tempels sind voll mit wunderbaren Flachreliefs, die verschiedenste Geschichten von Schlachten, dem Leben der Menschen und von göttlichen Sagen erzählen. Im Gegensatz zu früheren Tempeln ist Angkor Wat dem hinduistischen Gott Vishnu und nicht Shiva gewidmet.
Angkor Thom und Bayon
Angkor Thom an sich ist kein Tempel sondern die letzte grosse Hauptstadt der Khmer. Die 9 km² grosse Anlage ist von einer Stadtmauer und einem Wassergraben umgeben. Schon die fünf Stadttore sind ein einmaliger Anblick. Flankiert von Schutzgöttern und Dämonengöttern begegnet man hier das erste Mal den Türmen mit Gesichtern auf vier Seiten.
Die vier Gesichter fanden wir dann auch im Haupttempel Bayon direkt in der Mitte von Angkor Thom wieder. Der wirklich beeindruckende Tempel besteht nämlich aus 54 Türmen, die alle die vier Gesichter in die vier Himmelrichtungen aufweisen. Ob die Gesichter den Erbauer des Tempels, König Jayavarman VII, einen Bodhisattva (Erleuchtung suchende, buddhistische Person) oder den Hindugott Brahma zeigen (oder eine Kombination daraus) ist nicht klar.
Stelzenhäuser am See
Einen Tag nutzen wir für einen Ausflug abseits der Tempelwelt. In der Nähe von Siem Reap befindet sich der Tonlé Sap See, der grösste See Südostasiens. Seine Fläche schwankt extrem zwischen 2’600 km² und über 10’000 km² (5x bis 20x der Bodensee). In der Monsunzeit wechselt nämlich der Abfluss des Sees die Richtung und Wasser strömt vom Mekong zurück in den See. Der Seespiegel steigt dann von 2m auf 14m an.
Damit wären wir auch bei den Stelzenhäusern: Wir besuchten das grosse Dorf Kampong Phlouk, das komplett auf riesigen Stelzen gebaut ist. In der Trockenzeit gibt es teils Strassen, aber in der Regenzeit wird alles überschwemmt und die Bewohner können sich nur noch per Boot fortbewegen. Offenbar gibt es 170 solcher Dörfer rund um den See. Wieder einmal ein uns völlig unbekannter, aussergewöhnlicher Anblick.
Was für ein Zirkus
An einem Abend besuchten wir auch einen Zirkus, wo Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen, Artistik und Kunst erlernen. In der toll gemachten, modernen Aufführung wurde mit Hilfe von Akrobatik, Live-Musik, Kostümen und Malerei eine Geschichte rund um den Reis, das weisse Gold, erzählt.
Kambodscha, ein Wiedersehen?
Wir verbrachten für unsere Verhältnisse nur wenig Zeit in Kambodscha und diese vor allem in Touristenzentren. Deswegen können wir erst wenig über das Land, die Leute und was es alles zu bereisen gibt sagen. Was wir gesehen haben, hat uns sehr gefallen und wir hoffen, wieder einmal zurück zu kommen und mehr zu entdecken.
Das glaube ich das der Besuch der Tempelanlage Angkor Wat einen ganz speziellen Eindruck hinterlassen hat und wenn man bedenkt wie alt die sind. das zu dieser Zeit solch grosse Tempel gebaut werden konnten ist sehr erstaunlich. Dagegen ist die Geschichte von Kambodscha sehr traurig, was diese Menschen alles erleben mussten ist ungeheuerlich. Die ehemalige Hauptstadt Thom und Bayon muss ja unheimlich reich an Schutzgöttern und Dämonengöttern wenn man zum Vergleich die Stelzenstadt ansieht und nicht zu vergessen ist der schwimmende Supermarkt.
Viel Glück auf allen weiteren Reisen , ich bin gespannt was die nächsten Berichte für Ueberraschungen bringen.