Eintauchen in Südafrikas bewegte Geschichte

Ich habe gelernt, dass Mut nicht die Abwesenheit von Furcht ist, sondern der Triumph darüber. Der mutige Mann ist keiner, der keine Angst hat, sondern der, der die Furcht besiegt.

Nelson Mandela

Zum Abschluss besuchten wir noch die dritte Hauptstadt Pretoria und Johannesburg, die grösste Stadt des Landes. Dabei tauchten wir auch nochmals tief in die aufwühlende Geschichte Südafrikas ein, unter anderem bei einem Township-Besuch in Soweto.

Beide Städte sind nicht weit voneinander entfernt und bilden einen riesigen urbanen Raum mit über 10 Millionen Einwohnern. Sie liegen in der Provinz Gauteng (übersetzt Ort des Goldes) und sind das wirtschaftliche Zentrum Südafrikas.

Pretoria

Pretoria war schon die Hauptstadt der alten Burenrepublik Transvaal bevor die Briten 1902 den zweiten Burenkrieg gewannen. Danach wurden 1910 die beiden Burenrepubliken (Transvaal und Oranje-Freistaat) mit der Kap-Provinz und der Natal-Provinz zur Südafrikanischen Union vereinigt. Pretoria blieb die administrative Hauptstadt und Sitz des Präsidenten und der Regierung.

Dadurch finden sich in der Stadt auch zahlreiche historische Gebäude. Auch mehrere wichtige Universitäten sind hier angesiedelt. Pretoria ist auch die Stadt mit der grössten weissen Bevölkerung im subsaharischen Afrika. Durch die lange Burentradition ist auch die afrikaanssprechende Gemeinde hier besonders gross.

Der „Ou Raadsaal“ (Alter Ratssaal) war das Parlamentsgebäude der damaligen Südafrikanischen Republik und liegt am historischen Church Square in Pretoria.
Die Statue von Paul Kruger mitten auf dem Church Square.
Unterwegs in Pretoria.
Der Burgers Park in Pretoria.

Eine Geschichte der Unterdrückung

Wir besuchten den Freedom Park (Freiheitspark), der dem Gedenken an die präkoloniale afrikanische und südafrikanische Geschichte sowie dem Kampf gegen die Unterdrückung der nicht-weissen Bevölkerung gewidmet ist.

Der Freedom Park in Pretoria.
Das moderne, eindrückliche Museum, das sich der Geschichte Afrikas und Südafrikas widmet.

Bereits mit der oben erwähnten Union 1910 verloren die Schwarzen fast alle politischen Rechte. 1913 wurde in eine Landreform beschlossen, die den 90% Schwarzen nur knapp 10% des Landes zugestand und so noch viel mehr Schwarze als vorher schon von ihren ursprünglichen Wohnorten vertrieb.

Die Landreform von 1913.

Neben weiteren Freiheitseinschränkungen wie dem Verbot interethnischer Beziehungen, folgte 1948 der grosse Paukenschlag mit der Einführung der Apartheid. Die Leben der Schwarzen, der Indischstämmigen, der Farbigen (gemischt-ethnische) und der Weissen sollten komplett getrennt werden. Nicht-Weisse mussten immer einen speziellen Pass dabei haben und durften sich nur in ihnen zugeteilten Gebieten bewegen.

Als ungelernte Arbeitskräfte waren Schwarze gerne gesehen, in ihren Pässen war (neben ganz vielen anderen persönlichen Daten) aber genau vermerkt, wann und wo sie arbeiteten. Nur dafür durften sie sich in „weisse“ Gebiete bewegen. Viele Berufe waren ihnen aber durch Berufsverbote und andere Hindernisse verwehrt.

Es gab viele Organisationen und Aufstände gegen diese unglaubliche Diskriminierung, aber bis in die 80er Jahre wurden die Regeln laufend verschärft und Repressionen nahmen enorme Ausmasse an. Die bekannteste Figur des Widerstandes ist Nelson Mandela vom African National Congress (ANC), der über 27 Jahre im Gefängnis verbringen musste.

Erst andauernde Proteste und immer grösser werdender internationaler Druck und Boykotte führten zu einer Abschaffung der Apartheid 1990 und zu freien Wahlen für alle 1994, was in Südafrika auch als Jahr der Befreiung und der Einführung der Demokratie angesehen wird. Nelson Mandela wurde der erste demokratisch gewählte Präsident Südafrikas.

Johannesburg

In Johannesburg hatten wir unsere Unterkunft in Rosebank, einer reicheren Gegend mit netten Restaurants und Bars. Wir machten zwar Spaziergänge, aber diese Stadtteile sind eher abgeschottet und das soziale Leben konzentriert sich auf einzelne Hotspots wie Einkaufszentren.

Rosebank, ein Quartier mit vielen Einkaufszentren, Bürohäusern, Hotels und Restaurants.
Ein nettes Restaurant, das bei uns um die Ecke lag.

Wer der namensgebende Johannes war, ist nicht bekannt, es kommen mehrere historische Figuren in Frage. Johannesburg wurde erst 1886 gegründet als Gold in der Region gefunden wurde. Der einsetzende Boom liess die Bevölkerungszahl in 10 Jahren auf 100’000 ansteigen.

Im Stadtzentrum finden sich viele imposante Gebäude des frühen 20 Jahrhunderts, die den von Gold und Diamanten stammenden Reichtum zeugen. Rund um die Stadt gibt es immer noch grosse Minen, die bis zu 3’900 Meter tief sind (TauTona-Goldmine). Den Teil der Innenstadt, den wir spazierend erkundeten war eindrucksvoll, aber recht steril.

Imposantes Gebäude an der Main Street.
Der Central Magistrate’s Court (das zentrale Amtsgericht) mit dem Denkmal von Nelson Mandela.

Auch Mahatma Gandhi lebte über 21 Jahre in Südafrika und setzte sich damals schon als Anwalt und Aktivist für die Rechte der Indischstämmigen ein. In Johannesburg wird er mit einer Statue und dem „Gandhi-Platz“ geehrt.

Gandhi-Statue auf dem Gandhi-Platz in Johannesburg.

Im Township Soweto

Da die Schwarzen nicht in der Stadt wohnen durften, wurden weit ausserhalb der Stadtgrenzen Townships eingerichtet. Eines der grössten und bekanntesten ist das South West Township (kurz Soweto), das aus vielen kleineren Gemeinden besteht.

Wir durften an einer Tour teilnehmen, die von Lefu, einem jungen Einwohner von Soweto, geführt wurde. Das Township ist ein Touristenziel, unter anderem die Strasse, wo sowohl Nelson Mandela wie auch Erzbischof Desmond Tutu, zwei Friedensnobelpreisträger, wohnten. Neben diesem Teil von Soweto (nach seinen Worten) „Disneyland“ besuchten wir aber auch einen anderen Teil, wo deutlich stärker der Township-Charakter herauskam.

Das einfache Haus, in welchem Nelson Mandela mit seiner Familie bis zu seiner Verhaftung wohnte.

Die Tour startete bei der Hector-Pieterson-Gedenkstätte. 1976 protestierten Schüler von Soweto dagegen, dass ihre Unterrichtssprache neu Afrikaans und nicht mehr Englisch und ihre Muttersprachen sein sollte. Die Polizei ging mit extremen Mitteln dagegen vor und tötete 23 Schüler beim sogenannten Soweto-Uprising. Das Bild, wie der tote, elfjährige Hector Pieterson von einem anderen Schüler getragen wird, ging um die Welt und gab dem Denkmal den stellvertretenden Namen.

Hector-Pieterson-Gedenkstätte, die an die Opfer des Soweto-Schüleraufstandes erinnert mit dem weltberühmten Foto.

Im nicht touristischen Soweto East, sahen wir mehr klassisches Township-Leben. Viel mehr Leute auf der Strasse, kleine Strassenstände und -küchen, aber auch teilweise extrem viel Müll auf öffentlichen Flächen. Die Häuser sind recht unterschiedlich, von soliden, schönen Häuschen mit Garten bis zu schäbigen Wellblech-Hütten war alles zu finden. Die Arbeitslosigkeit unter den Einwohnern ist sehr hoch.

Blick in Richtung Soweto East.
Vermüllte Strassenränder.

Die Einwohner Sowetos arbeiten fast alle im Zentrum oder in den reichen Vororten und müssen somit pendeln. Ein riesen Problem ist aber der schlechte öffentliche Verkehr. Es gibt zwar einzelne Schnellbus-Linien und theoretisch einen Zug, der aber wegen Diebstahls der Fahrleitungen (Kupfer) schon länger nicht mehr fährt. Der Grossteil läuft (wie überall in Südafrika) über die nicht regulierten Minibusse.

Ein typischer, südafrikanischer Minibus.

Innerhalb kurzer Zeiten fahren hier zig dieser Busse vorbei, alle zum Bersten voll. Dieser Transport ist aber auch nicht günstig, über 1 Euro kostet eine einzelne Fahrt. Bei Umsteigeverbindungen kommt da eine enorme Summe zusammen, was vielen Arbeitnehmern grosse Teile ihres Gehalts auffrisst.

Zum Abschluss unserer Tour fuhren wir selbst mit einem Minibus mit, gefühlt das älteste Modell überhaupt, da die Busse normalerweise recht modern sind. Ziel war das alte Kohlekraftwerk von Soweto, das heute eine Touristenattraktion ist. Die ehemaligen, 100 Meter hohen Kühltürme heissen heute Soweto-Towers und bieten Klettern, Bungeejumping und anderes. Dort hatten wir ein „traditionelles“ Essen mit gegrillter Wurst und Huhn und Pap (eine Art Polenta).

Bei den Soweto-Towers.
Einer der beiden Kühltürme, der von einer lokalen Künstlerin bemalt wurde. Gesponsert von der lokalen Biermarke „Soweto Gold“.
Das traditionelle Essen: Wurst, Huhn, Pap (Art Polenta) und Salat.

Im Gefängis

Die letzten beiden Tage waren leider komplett verregnet. Der Constitution Hill (Verfassungshügel) war unsere letzte, geschichtliche Station. Hier war bis in die 80er Jahre eines der schlimmsten Gefängnisse Südafrikas, wo Folter auf der Tagesordnung stand. Der Grossteil der nicht-weissen Gefangenen hier waren nicht Verbrecher, sondern einerseits politische Gefangene wie Nelson Mandela oder Mohandas (Mahatma) Gandhi. Und zum überwiegenden Teil Personen die gegen diskriminierende Gesetze verstiessen wie Nicht-Mitführen des oben erwähnten Passes oder inter-ethnische Beziehungen.

Im Gefängnis herrschte auch strikte Rassentrennung, was bei der Besichtigungen noch mehr unter die Haut geht. Beispiele dafür waren für schwarze Insassen im Gegensatz zu den Weissen überfüllte Massenzellen statt Zweierzellen, weniger Decken und Kissen, offene Duschen im Freien, und ganz krass die Ernährung.

Es war genau festgelegt wie viel Getreide, Fleisch, Gemüse, Kaffee etc. jeder Häftling bekommt, abgestuft nach Weissen, Indisch-stämming und Farbigen sowie Schwarzen. Die Schwarzen bekamen überall am wenigsten (unter anderem gar kein Brot, da Schwarze das ja gar nicht mögen), ausser von Haferbrei zur Stärkung, da sie schwerere Arbeiten verrichten mussten.

Der nach Rassen getrennte Ernährungsplan in südafrikanischen Gefängnissen gemäss Parlamentsbeschluss von 1970.

Heute tagt das Verfassungsgericht Südafrikas auf dem Gelände des ehemaligen Gefängnisses. Der Standort wurde bewusst ausgewählt, da die Post-Apartheid Verfassung von 1996 die Gleichheit und Freiheit aller Menschen in verschiedensten Bereichen garantiert und in Südafrika ein unglaublich hohes Ansehen geniesst.

Der Eingangsbereich des Verfassungsgerichts. Vom alten Gefängnistrakt stehen nur noch vier Treppenhäuser, die als Denkmal an das grausame Gefängnis stehen gelassen und ins Gerichtsgebäude integriert wurden. Die Neonschrift „A luta continua“ kommt ursprünglich aus dem mosambikanischen Unabhängigkeitskrieg und wurde auch in Südafrika im Kampf gegen die Apartheid verwendet. Auf Deutsch übersetzt heisst es „der Kampf geht weiter“.

Wir konnten auch den modernen Gerichtsaal besichtigen, der sehr viel Symbolik enthält. Oft wird dabei auf die traditionellen Dorfgerichte Bezug genommen, wie zum Bespiel die Kuhfelle, hinter den Sitzen der elf Verfassungsrichter.

Der Gerichtssaal des Verfassungsgerichts am Constitution Hill.

Und heute?

Die historischen Stätten mit dem Höhepunkt der Demokratisierung 1994 können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass viel nicht erreicht wurde was damals versprochen wurde. Es gibt immer noch eines der grössten Wohlstandsgefälle weltweit und die Unterteilung in Arm und Reich verläuft immer noch zum grossen Teil entlang ethnischer Linien.

Alle Südafrikaner (schwarz und weiss), mit denen wir gesprochen haben, haben kein Vertrauen in die Politik. Diese wird seit 1994 von Nelson Mandelas Partei ANC mit absoluter Mehrheit dominiert. Nach einem guten Start ist sie aber heute anscheinend von Korruption dominiert, die den Staat stark lähmt. Krasse Beispiel sind die bereits erwähnten auf Misswirtschaft zurückzuführenden regelmässigen Stromausfälle oder die marode Wasserversorgung. Auch während der Corona-Krise sind internationale Hilfsgelder nicht beim Volk angekommen.

Für viele, vor allem ältere, Schwarze ist die ANC aber immer noch die Partei, die Demokratie und Freiheit brachte und deshalb unantastbar. Umgekehrt gehen viele junge Schwarze nicht wählen, da sie unzufrieden sind, aber keine Alternative sehen.

Eine interessante Erklärung für Korruption und Stagnation lieferte die Menschenrechtsanwältin, bei der wir in St. Francis Bay übernachteten: Teile der ehemaligen Freiheitskämpfer und heutigen Politiker sind korrupt, weil ihnen wegen des langen Kampfes und der Entbehrungen, in ihren Augen, etwas zustünde. Und viele Schwarze kümmern sich gar nicht so stark selbst ums eigene Vorankommen und Jobs, weil ihnen versprochen wurde, dass alles besser wird und sie das jetzt vom Staat erwarten.

Die schlimme Armut und Gewalt haben wir nicht wirklich mitbekommen, aber aus Erzählungen wissen wir, dass es teilweise noch viel schlimmer ist als wir es uns vorgestellt haben. Zwei freiwillige Arbeiter, die in Kapstadts Townships tätig waren, haben uns von der extremen Gefährlichkeit und den schrecklichen (vor allem auch psychischen) Lebensbedingungen dort berichtet.

Ein faszinierendes Land voller Gegensätze

Dieser Text ist ein wenig auch eine Zusammenfassung, über das, was wir in sechs Wochen über das Land gelernt haben. Die Geschichte und die sozialen Fragen begleiten einen überall. Trotzdem waren wir fasziniert von Südafrika und haben unsere Zeit sehr genossen.

Die Landschaft von Meer, über Berge bis zur Savanne hat viel Schönheit und Abwechslung zu bieten. Ein grosser Höhepunkt war natürlich die faszinierende Tierwelt in (fast) freier Wildbahn in den Nationalparks. Auch kulinarisch wurden wir meisten gut umsorgt und natürlich genossen wir auch den einheimischen Wein ausgiebig.

Dort wo wir unterwegs waren fühlten wir uns auch nie unsicher und es kam zu keinen unangenehmen oder gar gefährlichen Situationen. Trotzdem waren wir schon vorsichtiger unterwegs als in anderen Ländern. Keine Autofahrten in der Nacht (hat aber auch mit den Schlaglöchern zu tun), nie Gegenstände sichtbar im Auto liegen lassen, in Städten eher Uber als Taxi fahren und in der Nacht nur in Nähe des Hotels oder in besseren Gegenden raus. Die Infrastruktur ist trotz Mängeln immer noch klar besser als in anderen Ländern, die wir besucht haben. Das Land ist für Europäer aktuell sehr günstig zu bereisen und bietet dadurch ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Von uns daher eine klare Empfehlung , Südafrika zu besuchen. Wir bedanken uns für sechs eindrucksvolle Wochen!

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